Wenn die Darmflora nach Antibiotika-Gabe einen Ausreise-Antrag stellt ...

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Dass der Mensch nicht alleine daherkommt, sondern komplex mit Mikroorganismen besiedelt ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Viele Internisten betrachteten bis vor Jahren die menschliche Darmflora allerdings meist nur als „lästiges Sichthindernis“ bei der Endoskopie. Mittlerweile stürzen sich jedoch immer mehr konventionell arbeitende Ärzte auf aktuelle Erkenntnisse, die unter dem neuen Schlagwort „Mikrobiota“ verbreitet werden. Als Mikrobiota oder manchmal auch als Mikrobiom bezeichnet man alle auf und in einem Organismus beheimateten Mikroorganismen. Ein Beispiel hierfür sind die mittlerweile vielfach bestätigten Erkenntnisse zu bestimmten Verschiebungen der Darmflora bei übergewichtigen Patienten1).  Auch bei einer anstehenden antibiotischen Therapie kann es jeder auf den Beipackzetteln lesen und/oder weiß es aus persönlicher Praxis: Eine häufige Nebenwirkung von Antibiotika ist Durchfall. Dieser kann zusammengefasst und plastisch als „kollektive Ausreise ansässiger Darmbakterien“ betrachtet werden. Besonders häufig ist diese Nebenwirkung bei den antibiotisch wirksamen Substanzen Erythromycin, Lincomycin/Clindamycin, Cephalosporinen, aber auch bei Tetrazyklinen, Ampi- und Amoxicillin, Neomycin und Gyrasehemmern (Chinolonen)2). Bereits in den 1990er Jahren wurde das Ausmaß der Nebenwirkungen „Durchfall nach Antibiotika-Anwendung“ auf ca. 1 Million sog. „Durchfalltage“ pro Jahr hochgerechnet. 

Dafür sind sie zu wertvoll – Zweifelhafte antibiotische Anwendungen fernab von Infektionskrankheiten und interessante Alternativen bei Harnwegsinfektionen

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Antibiotika bei Rückenschmerzen, bei Posttraumatischen Belastungsstörungen oder bei der Behandlung von Blinddarmentzündungen – liest man die Meldungen der letzten Monate*, beschleicht einen der Eindruck, dass die medizinische Praxis seltsame intellektuelle „Beifänge“ bereithält. Um auf letztgenannte Indikation einzugehen: Unbestritten ist eine akute Appendizitis (Blinddarmentzündung) in der Kinderarztpraxis ein klinisches Geschehen, welches konsequentes Handeln erfordert und es gibt an der medizinischen Ursache nicht viel auszulegen. Daher war die chirurgische Intervention immer Erste Wahl. „Aber wieso nicht einmal über den Tellerrand schauen?“, haben sich Wissenschaftler aus China gefragt. In einer Meta-Analyse verglichen die Forscher die alleinige Antibiotika-Gabe mit einer operativen Entfernung des Blinddarms 1. Resultat: In der Gruppe der Kinder, die nur das Antibiotikum erhielten, waren 9 von 10 Patienten mit unkomplizierter Appendizitis innerhalb von 48 Stunden symptomfrei, ebenso im Monat danach. ABER: Ca. 30 Prozent der Kinder mussten innerhalb eines Jahres dennoch chirurgisch behandelt werden, offensichtlich, weil die Causa noch fortbestand.