Welche konkreten Auswirkungen auf das Mikrobiom des Darmes haben Antibiotika?
Eine internationale Arbeitsgruppe um Dr. Sofia Forslund vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin untersuchte in einer aktuellen Studie zwölf gesunde junge Männer, die vier Tage lang einen „Cocktail“ aus den Reserveantibiotika Meropenem, Gentamicin and Vancomycin erhielten – dies sind Wirkstoffe, die häufig die letzte Waffe gegen resistente Bakterien darstellen. Hierbei wurde festgestellt, dass sich das Mikrobiom erst ein halbes Jahr nach der Medikamentengabe fast vollständig erholt hatte3). Zudem waren einige Bakterienarten dauerhaft verschwunden. Die auf die Antibiotika-Anwendung folgende Erholungsphase mit einer stufenweise mikrobiologischen Wiederbesiedlung zeigte anfänglich ein gehäuftes Auftreten der fakultativ pathogenen, also möglicherweise Krankheiten verursachenden Bakterien Enterococcus faecalis und Fusobacterium nucleatum. Gleichzeitig wurden viele Mikroorganismen mit Virulenzfaktoren, d.h. krankmachenden Eigenschaften von Mikroorganismen, festgestellt. Auch „…die Anzahl der Resistenz-Gene hatte sich in den Bakterien erwartungsgemäß erhöht“, berichtet Forslund.
Schlussfolgerung: Antibiotika-Einsatz sorgfältig abwägen und Alternativen nutzen!
Diese Forschungsarbeiten belegen, wie wichtig ein sorgfältiger Umgang mit Antibiotika ist, da es nicht nur zu offenbar dauerhaften Verlusten einzelner Bestandteile der ursprünglichen Darmflora, sondern auch zu einer gewissermaßen reaktiven Erhöhung der Anzahl an Resistenz-Genen kommt. Wie formulierte Prof. Tschäpe vom Robert-Koch-Institut (Wernigerode) so schön das (mikro-)biologische und (mikro-)ökologische Grundgesetz: „Der qualitative und quantitative Einsatz von Antibiotika ist äquivalent zur Resistenzentwicklung. Die Antibiotika-Resistenz ist ein altes phylogenetisches und ökologisches Phänomen und damit evolutionär erprobt und erfolgreich“.
Damit sich das „evolutionär erfolgreich“ nicht nur auf die Mikroben bezieht und damit den Menschen mittelbar ausmerzt, sind intelligente therapeutische Strategien jenseits konventioneller Antibiotika - wie z.B. der Einsatz pflanzlicher Antibiotika - nicht nur sinnvoll, sondern aus Menschensicht überlebenswichtig. Hierzu zählen z.B. die Senföle mit antibiotischen Eigenschaften, wie in Kapuzinerkresse. Die Pflanzenstoffe zeichnen sich durch einen vielfältigen Wirkmechanismus aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand scheint dieser besondere Ansatz der Therapie die für Standardantibiotika bekannte Entwicklung von Bakterienresistenzen zu erschweren.
Literaturhinweise:
- Reijnders D et al. (2016): Effects of Gut Microbiota Manipulation by Antibiotics on Host Metabolism in Obese Humans: A Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Trial. Cell Metab. 2016 Jul 12;24(1):63-74. doi: 10.1016/j.cmet.2016.06.016. PubMed PMID: 27411009, zuletzt aufgerufen am 16.01.2019
- Beckmann G , Rüffer A (2000): Mikroökologie des Darmes. Grundlagen – Diagnostik – Therapie. Schlütersche , Hannover. Tab. 16, S. 114.
- Palleja A, Mikkelsen K, Forslund S. et al. (2018): Recovery of gut microbiota of healthy adults following antibiotic exposure. Nature Microbiology 3. doi:10.1038/s41564-018-0257-9, zuletzt aufgerufen am 16.01.2019