Biofilme: Wie sich Bakterien vor Antibiotika schützen

Professor Frank Günther, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Marburg

Herr Professor Günther, warum sind bestimmte Bakterien mit Antibiotika nur schwer zu bekämpfen?

Erreger, denen schwierig mit Antibiotika beizukommen ist, haben ganz besondere Mechanismen entwickelt, um sich vor äußeren Einflüssen, die ihnen schaden können, zu schützen. Eine wesentliche Strategie von Bakterien ist die Ausbildung von sogenannten Biofilmen.

Biofilme? Was können wir uns hierunter vorstellen?

Biofilm-produzierende Bakterien bilden eine dünne Schleimschicht als Schutzschild aus, in der sie über eine lange Zeit überdauern können. In solchen Biofilmen finden die bakteriellen Erreger optimierte Bedingungen zum Überleben vor. Denn gemeinsam sind Organismen effektiver und stärker als alleine, sie überstehen Angriffe, wie z.B. durch Antibiotika oder das Immunsystem, besser. Ein allseits bekanntes Beispiel für einen Biofilm im Körper ist die bakterielle Besiedlung der Zahnoberfläche, auch bekannt als Plaque. Biofilme auf Zähnen entstehen, wenn sich Bakterien zwischen wässrigen und festen Phasen ansiedeln und eine Schleimschicht bilden, in der die Bakterien eingebettet sind.

Bilden alle Bakterien solche Biofilme aus?

Der Großteil aller für Infektionen beim Menschen verantwortlichen Bakterien sind zur Biofilmbildung befähigt. Die Biofilmbildung ist daher auch bei vielen Infektionsarten, insbesondere auch bei Fremdkörperassoziierten Infektionen wie z.B. Katheter- oder Protheseninfektionen von zentraler Bedeutung. Eine besondere Rolle spielt die Biofilmbildung ebenfalls für viele chronische Infektionen sowie für Rezidive.

Gibt es ein „prominentes“ Beispiel für ein Biofilm-bildendes Bakterium?

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Pseudomonas aeruginosa. Ein Keim, der zu den häufigsten Erregern im Krankenhaus erworbener Infektionen gehört, zählt zu den häufigsten Biofilm-bildenden Bakterien und ist für chronische Infektionen der Atem- und Harnwege verantwortlich. Das Problem hatten wir bereits angesprochen: In Biofilmen, also im schützenden Schleim eingebettet, erreicht das körpereigene Immunsystem die Erreger kaum und eine Antibiotika-Therapie schadet ihnen unter Umständen nur eingeschränkt bis gar nicht. Zudem können die Erreger lange Zeiträume in befallenen Körperregionen überdauern und Resistenzmechanismen entwickeln. Auf diese Weise kann nach einer überwundenen geglaubten Infektion die Erkrankung wiederkehren und einen chronischen Verlauf nehmen. Dadurch wird der Keim schwer behandelbar und stellt vor allem im Klinikalltag eine große Herausforderung dar.

Ist diesen Biofilm-bildenden Bakterien somit nicht beizukommen?

Es ist auf alle Fälle schwerer, solche bakteriellen Infektionen zu bekämpfen. Damit Bakterien Biofilme ausbilden können, bedienen sie sich eines spezifischen Kommunikationssystems, mit dem sich die Erreger untereinander verständigen. Dieser Mechanismus des bakteriellen Informationsaustauschs wird von Wissenschaftlern als „Quorum sensing“ bezeichnet. Gelingt es, dieses Kommunikationssystem zu stören, so können durch Biofilm-bildende Bakterien ausgelöste Infektionen besser behandelt werden. Zahlreiche Untersuchungsansätze beschäftigen sich deshalb damit, wie dieser Biofilm-bildende Prozess beeinflusst werden kann. So haben Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Infektionsforschung zum Beispiel ein Molekül entwickelt, das einen wichtigen Baustein des Biofilms von P. aeruginosa blockiert und gleichzeitig den Biofilm im Körper sichtbar machen kann. Forschungsansätze in diese Richtung gibt es einige, sie stehen allerdings erst ganz am Anfang der Entwicklung.

Auch Sie forschen in diesem Bereich mit arzneilich wirksamen Pflanzenstoffen. Haben Sie aussichtsreiche Ergebnisse vorzuweisen?

Wir konnten bei einer Laboruntersuchung mit Senfölen zeigen, dass diese die Produktion von Biofilmen von P. aeruginosa auf zwei Arten beeinflussen können: Zum einen verhindern natürliche Senföle die Bildung von Biofilmen, zum anderen hemmen sie die Bakterienaktivität innerhalb bestehender Biofilme, indem sie das bereits erwähnte bakterielle Kommunikationssystem Quorum sensing stören. Untersucht haben wir hierbei drei verschiedene Senföle – einzeln und in Kombination. Am stärksten reduziert war sowohl Biofilmbildung als auch das Bakterienwachstum bei der Kombination von drei unterschiedlichen Senfölen.

Gibt es weitere vielversprechende Untersuchungen mit Senfölen?

Arzneilich wirksame Pflanzenstoffe wie die Senföle aus Pflanzen wie z.B. Kapuzinerkresse, Knoblauch oder Brokkoli zählen zu den sehr gut untersuchten Substanzen, die in Untersuchungen nicht nur ihre Wirksamkeit gegen schwer behandelbare Bakterien, sondern auch gegen Viren bewiesen haben und zudem entzündungshemmende Eigenschaften aufzeigen. Schon in früheren Studien der Universität Freiburg konnte durch eine Senfölkombination eine direkte wachstumshemmende Wirkung gegen P. aeruginosa beobachtet werden, die sich bei unseren aktuellen Untersuchungen bestätigt hat.

Welchen Stellenwert haben solche arzneilich wirksamen Pflanzenstoffe damit für Sie?

Senföle stellen aufgrund ihrer ausgeprägten keimhemmenden Wirkung gegen zahlreiche, teils mehrfachresistente Bakterien sowie ihrer Fähigkeit, die Biofilmformation zu stören, eine vielversprechende natürliche Substanzgruppe dar. Im Idealfall können durch den Einsatz pflanzlicher Wirkstoffe das wachsende Resistenzproblem entschärft und hocheffektive Antibiotika für ernste Erkrankungen aufgespart werden. 

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