Alternativen zu klassischen Antibiotika – leider vielfach noch nicht praxisreif oder hinreichend klinisch erprobt...

Kategorien:  Resistenzen 

Dass die teilweise unreflektierte Breitenanwendung von Antibiotika zur Zunahme von Resistenzen bei medizinisch lebenswichtigen Antibiotika geführt hat und – trotz aller regulatorischen Bemühungen – auch noch führt, ist allgemein bekannt. Umso interessanter werden wirksame Alternativen jenseits der Anwendung klassischer Antibiotika. Dabei muss das Rad teilweise gar nicht neu erfunden werden. 

Gezielte Abtötung von Bakterien 

Wie immer in der belebten Natur, haben sich auch zwischen Mikroorganismen Kommunikations- und Abwehrmechanismen entwickelt. „Quorum sensing“ beschreibt die gut beforschten, faszinierenden „Gesprächsformate“ in Bakteriengemeinschaften, die wichtig sind, wenn man beispielsweise angreifen möchte, sich vermehren will oder sich doch besser im eigenen Biofilm-Biotop vergräbt. 

Viele Bakterien haben Strategien entwickelt, um Keime fremder Arten von den Zellen zu beseitigen, die sie selbst gern infizieren möchten. Hierfür bilden viele Mikroorganismen unter anderem bestimmte, sogenannte Bakteriozine. Diese Giftstoffe dienen dazu, das Wachstum anderer Bakterienarten zu hemmen. Über den therapeutischen Einsatz von Bakteriozinen wird vermehrt nachgedacht. Derzeit beforscht man z.B. Thuricin, gebildet vom Bodenbakterium Bacillus thuringiensis, dessen Gift (Toxin) auch schon erfolgreich als biologisches Insektizid eingesetzt wird. Es zeigte sich wirksam gegenüber Clostridium difficile, einem besonders bei Krankenhaus-Patienten gefürchteten Durchfallerreger. Im Experiment konnte zudem eine Wirksamkeit zur Bekämpfung von sogenannten Biofilmen, in denen Bakterien optimale Bedingungen zum Überleben vorfinden, gezeigt werden. 

Eine weitere Alternative sind spezifische, hausgemachte („homemade“), virusähnliche Partikel, die Bakterien besiedeln und deren Stoffwechsel zur Vermehrung benutzen. Eine Gruppe davon tötet die befallenen Bakterien regelrecht ab. Die sog. Bakteriophagen (übersetzt: „Bakterien-Fresser“) kann man gewinnen, aufreinigen und gezielt therapeutisch genau gegen diejenigen Bakterien einsetzen, die von diesen Viren dann angegriffen und aufgelöst werden. 

Der Mechanismus ist seit den Anfängen der Virologie bekannt und wird tatsächlich seit Jahrzehnten in einigen osteuropäischen Staaten als Nischenmethode sehr erfolgreich bei besonders hartnäckigen bakteriellen Infektionen eingesetzt. Das 1923 gegründete Elivia-Institut in Tiflis/Georgien kann dabei seit Jahrzehnten als Pioniereinrichtung gelten. Es fehlt allerdings noch an klinischen Studien, die höheren statistischen Ansprüchen genügen. Auch gilt es noch einige Fragen zur Sicherheit zu beantworten, weil beim Zerfall von Bakterien teilweise Komplikationen wie Fieberreaktionen auftreten könnten.

In Deutschland interessiert man sich angesichts der Resistenzproblematik zunehmend für dieses „alte Wissen“. Es lohnt sich hier auch der „Blick über den Tellerrand“ in die Veterinärmedizin. Konkret brachte der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) bei einem Treffen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums die Forderung ein, derartige alternative Verfahren mit Bakteriophagen auch von politischer Seite her zu fördern. 

Stuhlübertragung: Hört sich nicht so appetitlich an – ist aber effektiv

In diesem Zusammenhang wird auch die Methode des „Konkurrenzausschlusses“ (Competitive Exclusion) genannt, die das Grundwissen der Mikroökologie des Darmes („Mikrobiom“) aufnimmt: Die Krankheitsraten sinken deutlich, wenn man in der Veterinärmedizin Jungtieren sehr frühzeitig Bakterien einer gesunden Darmflora überträgt. Durch die Ansiedlung „guter Bakterien“ im Darm erschwert man es Krankheitserregern, sich einzunisten und z.B. Durchfallerkrankungen auszulösen. Was beim Jungtier hilft, würde vermutlich auch beim Menschen helfen und voraussichtlich auch die dramatisch gestiegene Anzahl an Allergien senken. Auch dazu liegen viele Hinweise vor. Allein, es fehlt an der flächenmäßigen klinischen Erprobung und Eingang in die gute medizinische Praxis…

Als historisch bekannte Einzeltherapie greift die Übertragung der Stuhlflora eines darmgesunden Menschen auf einen Erkrankten das oben beschriebene Prinzip in abgewandelter Form auf. Heutzutage kann die Stuhlübertragung segensreich bei der Therapie z.B. einer durch das Bakterium Clostridium difficile hervorgerufenen Darmentzündung sein, die durch eine Antibiotika-Gabe hervorgerufen werden kann. Hier müssen also die Folgen eines Antibiotika-Einsatzes auf die Mikroökologie des Darmes behandelt werden. Teilweise ist derzeit zudem über ganz offensichtlich klinisch-therapeutisch noch „ungelegte Eier“, wie z.B. antimikrobiell wirksame Inhaltsstoffe aus Wespengift der südamerikanischen Art Polybia paulista zu lesen.    

FAZIT: Es gibt eine Reihe interessanter Alternativen zu den klassischen Antibiotika. Diese sollten dringend intensiver beforscht werden. Solange aber keines der vorgestellten Verfahren die Marktreife hat, müssen Antibiotika eingespart werden und die neuen WHO Kriterien „AWaRe“* bei der Verordnung eingehalten werden. Es lohnt sich auch ein Blick in die Natur: Hier kann auf bewährte und klinisch gut erprobte pflanzliche Arzneimittel (z.B. Senföle, wie in Meerrettich enthalten) zurückgegriffen werden. 

*Das von der WHO entwickelte „AWaRe-Tool“ enthält u.a. Listen mit Antibiotika, eingeteilt in drei Gruppen: „Access, Watch and Reserve“ = (freier) Zugang – Beobachtung - Reserve


Literaturhinweise:

  • Anonymus (2019): Geflügelwirtschaft wird Reduktionsstrategie für Antibiotika vorlegen. Mitteilungen Arzneimittel, Futtermittel. Dt. Tierärzteblatt 67 (9), 1284.
  • Müller-Waldeck R (2019): Welche Alternativen gibt es zu Antibiotika? Der Hausarzt 2019 (4), 42-45
  • Torres D, Pedron C, Higashikuni et al. (2018): Structure-function-guided exploration of the antimicrobial peptide polybia-CP identifies activity determinants and generates synthetic therapeutic candidates. Communications Biology 1, Article no. 221  
  • https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/zunahme-von-antibiotika-resistenten-bakterien-ist-alarmierend-16244015.html