„Wogegen helfen Penicillin & Co.?“ – Hoher Aufklärungsbedarf rund um das Thema Antibiotika!

Kategorien:  Resistenzen 

„Wogegen wirken Antibiotika: sowohl Bakterien als auch Viren, nur gegen Bakterien oder nur gegen Viren?“ Auf diese Frage wissen mit 42 Prozent nicht einmal die Hälfte der Bundesbürger die korrekte Antwort. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Gesundheitsmonitors des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH).1) Zur Auflösung: Antibiotika können ausschließlich bei Infektionen helfen, die von Bakterien verursacht werden.

Antibiotika - nur wirksam bei bakteriell bedingten Erkrankungen!

Das mangelnde Wissen rund um die Wirkweise und Anwendung von Antibiotika macht sich nicht nur bei Umfragen, sondern auch ganz konkret im Apothekenalltag bemerkbar: Gerade in der kalten Jahreszeit häufen sich bei der Beratung von Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen die Aussagen, dass man sich „schnell noch ein Rezept für ein Antibiotikum vom Arzt“ holen wolle – obwohl Erkältungskrankheiten fast immer durch Viren ausgelöst werden, gegen die Antibiotika nicht wirken. Nicht selten kommt auch die Aussage, dass Patienten mit der Antibiotika-Einnahme aufgehört haben, nachdem die Symptome, beispielsweise bei Harnwegsinfekten, sich gebessert hatten. Solche Folgerungen sind für PTA und Apotheker Anzeichen dafür, dass der grundsätzliche Informationsbedarf rund um die Anwendung von Antibiotika noch groß ist. Die nötige Aufklärung erstreckt sich dabei von der ausschließlichen Wirksamkeit bei bakteriell bedingten Infektionskrankheiten, über eine sachgerechte Anwendung bis hin zum Wissen über die Entstehung von Bakterienresistenzen. Denn auch bei der Frage über mögliche Folgen des frühen Absetzens herrscht laut der BAH-Umfrage ein Wissensdefizit: 28 Prozent der Befragten glauben nicht daran, dass das frühzeitige Absetzen eines Antibiotikums dazu führen kann, dass es beim nächsten Mal nicht mehr wirkt.

Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Was oft als lapidare Floskel wahrgenommen wird, bekommt angesichts des Wissensstandes rund um den Einsatz von Antibiotika tiefere Bedeutung. Bei der Abgabe von Antibiotika sollten PTA und Apotheker die Möglichkeit nutzen, auf wichtige Punkte hinzuweisen, um Einnahmefehler, unerwünschte oder mangelnde Wirkungen sowie die Ausbreitung von Resistenzen und damit einen drohenden Wirkverlust von Antibiotika zu vermeiden. Dazu zählen zum Beispiel die folgenden Empfehlungen:

1. Bestimmte Antibiotika nicht zusammen mit Milch einnehmen

Einige Antibiotika-Wirkstoffgruppen gehen mit dem Kalzium der Milch Verbindungen ein. Die Folge: Antibiotika können in gebundener Form vom Körper nicht aufgenommen werden und wirken nicht wie gewünscht gegen die Krankheitserreger. Wird einem Patienten ein Antibiotikum aus der Gruppe der sogenannten Tetracycline oder Gyrasehemmer ausgehändigt, sollte die Empfehlung aus der Apotheke erfolgen, dass zwischen Einnahme des Medikaments und Verzehr von Milchprodukten (Milch, Joghurt, Käse und Quark) einen Abstand von mindestens zwei Stunden liegen sollte. Nur so kann die gewünschte Wirksamkeit gewährleistet werden.
Aber auch Präparate, die Magnesium, Eisen oder Zink enthalten, können die Wirkung von Antibiotika abschwächen. Für diese gelten die gleichen Empfehlungen wie für Kalzium.

2. An zusätzliche nicht-hormonelle Verhütungsmethoden denken

Da die Antibiotika-Einnahme die Wirkung der Pille beeinträchtigen kann, sollte der Apotheker bei der Abgabe Frauen im gebärfähigem Alter darauf hinweisen, bei bzw. nach der Antibiotika-Einnahme bis zur nächsten Regelblutung zusätzlich nicht-hormonelle Verhütungsmethoden anzuwenden. Ein Beispiel: Östrogen wird durch Darmbakterien aktiviert und ins Blut aufgenommen. Da Antibiotika auch Darmbakterien angreifen können, die diesen Prozess in Gang setzen, kann die Wirkung von östrogenhaltigen Pillen durch Antibiotika vermindert sein. Aber auch Erbrechen und Durchfall als mögliche Antibiotika-Nebenwirkungen können die Wirksamkeit der Pille vermindern.

3. Körperliche Schonung während der Antibiotika-Einnahme

Bei Infekten sollten Patienten grundsätzlich auf Sport verzichten – dies gilt auch, wenn ein Antibiotikum eingenommen werden muss. Bei körperlicher Belastung wird das Immunsystem nicht nur weiter geschwächt, durch die sportlich bedingte gesteigerte Durchblutung werden Krankheitserreger auch im Körper verteilt, die Infektion kann sich auf andere Körperregionen, z. B. den Herzmuskel, ausweiten. Zudem haben Antibiotika auch Einfluss auf die gesundheitsfördernden Bakterien des im Darm angesiedelten Immunsystems. Somit ist der Körper auch nach Beendigung der Antibiotika-Einnahme erst einmal anfälliger, und das Sportprogramm sollte erst langsam wiederaufgenommen werden.

4. Alkohol meiden

Grundsätzlich kann Alkohol die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, sei es durch einen verstärkenden oder auch einen abschwächenden Effekt. Wird während der Antibiotika-Einnahme Alkohol getrunken, kann sich dies in Form von unerwünschten Wirkungen, wie z.B. metallischem Geschmack, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Herzklopfen oder Schweißausbrüchen bemerkbar machen. Da einige Alkohol-abbauende Enzyme durch bestimmte Antibiotika gehemmt werden, sammeln sich Abbauprodukte des Alkohols im Körper an und verursachen Beschwerden. Daher auch hier der Rat bei Patienten mit Antibiotika-Rezepten: Während der Einnahme auf Bier, Wein und Co. verzichten!

5. Nie Antibiotika ohne Absprache mit dem Arzt einnehmen

Bei der eingangs beschriebenen Untersuchung des BAH wurde auch nach dem Antibiotika-Vorrat zu Hause gefragt: Ein Viertel der Befragten gab an, ein oder mehrere angebrochene Antibiotika-Packungen vorrätig zu Hause zu haben. Diese angebrochenen Antibiotika-Packungen beim nächsten Infekt in Eigentherapie wiederzuverwenden, sollte jedoch auf alle Fälle vermieden werden: Denn je nach Art der Erreger und für jeden individuellen Krankheitsfall verschreibt der Arzt ein spezifisch wirksames Antibiotikum und legt die Dauer der Einnahme entsprechend fest. Ein Antibiotikum sollte daher niemals ohne ärztliche Diagnose bzw. Anordnung geschluckt werden, um Nebenwirkungen und Resistenzbildungen der Bakterien aufgrund einer Einnahme in Eigenregie zu vermeiden. Daher sollte der Rat aus der Apotheke bei der Abgabe von Antibiotika lauten: Angebrochene Packungen weder aufheben noch wiederverwenden, sondern die Reste nach erfolgreich besiegter Infektion entsprechend entsorgen!

6. Antibiotika wie vom Arzt verordnet und bis zum Ende einnehmen

Da eine konstante Wirkstoffkonzentration im Blut für den Therapieerfolg nötig ist, muss das Antibiotikum bezüglich der Dosis und Einnahmedauer wie vom Arzt verordnet eingenommen werden. Wird es zu gering dosiert oder zu kurz eingenommen, können Bakterien überleben und gegen das Mittel unempfindlich, d. h. resistent werden. Die Folge: Beim nächsten Einsatz kann das Antibiotikum nicht mehr wirken.

7. Sonne so gut wie meiden

Die UV- Strahlung der Sonne kann bei bestimmten Antibiotika-Wirkstoffgruppen unerwünschte Reaktionen hervorrufen. Bei diesen sogenannten fototoxischen Reaktionen nehmen lichtempfindliche Moleküle im Medikament die Sonnenenergie auf und geben sie dann wieder ab, was die umgebenden Hautzellen schädigen kann. Folgen können Verfärbungen des Hautgewebes, juckende Pusteln aber auch Schädigungen, die einem starken Sonnenbrand ähneln, sein. In der Apotheke sollte daher bei den jeweiligen Antibiotika, etwa bei der Wirkstoffgruppe der Tetracycline und der Gyrasehemmer, darauf hingewiesen werden, während der Einnahme direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden. 

Bei unkomplizierten Infektionen erst einmal auf Alternativen setzen

Der Einsatz von Antibiotika darf nur dann erfolgen, wenn er wirklich nötig ist – dafür setzt sich die World Health Organisation (WHO) seit einigen Jahren auf internationaler Ebene ein, denn die Antibiotikaresistenzen nehmen weltweit in besorgniserregendem Ausmaß zu. Dass bei akuten unkomplizierten Infektionen mit bakterieller Beteiligung, wie zum Beispiel Blasenentzündungen, nicht immer routinemäßig ein Antibiotikum eingenommen werden sollte – diese Empfehlung muss sich auch in den Köpfen vieler Patienten erst noch festsetzen, zumal es auch antibakteriell wirksame pflanzliche Alternativen gibt. So kann jeder einzelne seinen individuellen Beitrag zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen leisten. Auch bei Ärzten findet diesbezüglich ein Umdenken statt: Gerade bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen wird aktuell in den Leitlinien zur Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen der Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln empfohlen 2).

1) Pressemitteilung – Der deutsche Gesundheitsmonitor des BAH Informiert: Antibiotika – die große Unbekannte (zugegriffen am 23.01.2018), PDF, ca. 132 KB
2) Leitlinien DGU: Interdisziplinäre S3-Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Langversion 1.1-2, 2017 AWMF Registernummer: 043/044 (zugegriffen am 23.01.2018), PDF, ca. 2,7 MB,