Blasenentzündung: Wann ist eine Behandlung mit pflanzlichen Mitteln sinnvoll und was sollten Apothekenkunden über Phytopharmaka wissen?

Interview mit Juliane von Meding, Apothekerin und Betriebswirtin (IWW), Gräfelfing

Frau von Meding, was klären Sie im ersten Schritt ab, wenn ein Kunde nach einem Mittel gegen Blasenentzündungen fragt?

Als erstes klären wir ab, wer der Betroffene ist. Gehört der Kunde zu einer Risikogruppe, die eine ärztliche Untersuchung bei einer potenziellen Blasenentzündung notwendig macht? Anschließend erkundigen wir uns nach den Beschwerden. Beschreibt der Kunde, dass er häufigen Harndrang sowie ein Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen verspürt, versuchen wir herauszufinden, wie ausgeprägt die Beschwerden sind. Hierbei klären wir ab, ob der Patient auch Fieber hat, Blut im Urin ersichtlich war oder ob er zusätzlich an Schmerzen im Rücken leidet, die bis unter die Rippen ausstrahlen. Wichtig für uns ist zudem zu wissen, wie lange die beschriebenen Symptome bereits bestehen und ob diese in der Vergangenheit schon häufiger aufgetreten sind. Auch fragen wir, was bereits gegen die Beschwerden unternommen wurde. Erst wenn wir diese Informationen haben, können wir mit der Beratung beginnen. 

Was sind die nächsten Schritte bei Ihrer Beratung?

Wenn sich bei der Beratung herausstellt, dass der Kunde nicht „nur“ andauernden Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen verspürt, sondern zusätzlich fiebert, Blut oder Eiweiß im Urin identifiziert hat oder an Nierenschmerzen leidet, empfehlen wir, die Symptome vom Arzt abklären zu lassen. Gleiches gilt bei Risikogruppen, bei denen ein Harnweginfekt häufig nicht unkompliziert verläuft. Dies gilt z.B. für Schwangere, Diabetiker, Kinder, Männer oder immungeschwächte Personen. Aber auch Betroffene, die immer wieder an Harnwegsinfekten leiden – wir sprechen hier von rezidivierenden, also wiederkehrenden Harnwegsinfekten –, sollten einen Arzt aufsuchen. 

Gehören die Patienten nicht zu den genannten Risikogruppen und treten keine weiteren Komplikationen auf, handelt es sich in der Regel um eine Blasenentzündung, die den akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen zugeordnet wird. Bei dieser Art von Infektionen, die meist bei Frauen auftreten, ist in der Regel ein Therapieversuch mit pflanzlichen Arzneimitteln sinnvoll. 

Welche Phytopharmaka eignen sich zur Behandlung von Harnwegsinfektionen?

Bei der Wahl des Arzneimittels sollte eine möglichst breite antibakterielle Wirkung im Vordergrund stehen. Gleichzeitig muss auf eine gute Durchspülung geachtet werden. Werden bei einer akuten Blasenentzündung nur die Symptome bekämpft, wie z. B. eine Schmerzbekämpfung mit Ibuprofen oder eine Durchspülung ohne antibakterielle Wirkung, besteht das Risiko, eine Nierenbeckenentzündung zu entwickeln.  Die krankheitsauslösenden Erreger können damit nicht vollständig eliminiert und bekämpft werden und steigen eventuell bis zu den Nieren auf. Zudem ist es häufig erforderlich, Apothekenkunden den Unterschied zwischen Arzneimitteln und den oft weniger wirksamen, niedriger dosierten Nahrungsergänzungsmitteln deutlich zu machen. 

Wie stellen Sie dar, dass der Einsatz von Phytotherapeutika sinnvoll ist?

Phytotherapeutika haben in der pharmazeutischen Therapie einen festen Stellenwert und sind nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren empfehlen Experten, Antibiotika zurückhaltend einzusetzen und bei unkomplizierten Infektionen stattdessen zunächst ein pflanzliches Arzneimittel einzusetzen. Ein unreflektierter Einsatz von Antibiotika trägt hingegen dazu bei, dass Antibiotika immer häufiger nicht mehr wirken, bei lebensbedrohlichen Erkrankungen nicht mehr zu Verfügung stehen und dass sich die bereits angespannte Resistenzsituation weiter verschärft.  Daher haben viele Fachgesellschaften – so auch die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) – in ihre Behandlungsleitlinien aufgenommen, dass eine Verminderung des Antibiotikaeinsatzes angestrebt werden soll. In diesen Leitlinien werden konkrete Empfehlungen für phytotherapeutische Behandlungsalternativen ausgesprochen, die wir in der Apotheke ebenfalls aufgreifen und empfehlen. So empfehlen wir bei Blasenentzündungen gerne den Einsatz von senfölhaltigen pflanzlichen Arzneimitteln, zum Beispiel mit Kapuzinerkresse. In der erwähnten Leitlinie wird die Pflanze, neben anderen, bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen explizit empfohlen.

Befolgt ein Großteil Ihrer Kunden diese Empfehlungen oder kommen häufig Einwände gegen pflanzliche Behandlungsansätze?

Viele Kunden sind froh, wenn wir sie über mögliche pflanzliche Behandlungsoptionen aufklären. Oft möchten Betroffene aus eigenem Willen auf den Einsatz von Antibiotika verzichten, wenn es eine andere adäquate Behandlungsform gibt. Auch wissenschaftliche Untersuchungen1) belegen, dass es auf Seiten der Patienten diesen Wunsch nach einer Antibiotika-Alternative gibt – das erleben wir auch in den täglichen Beratungssituationen immer wieder.

Ab und an hören wir Einwände wie „Mit Antibiotika gehen die Beschwerden doch vielleicht viel schneller weg“ oder: „Ohne Antibiotika kommen die Beschwerden doch vielleicht viel schneller wieder!“ oder „Sind pflanzliche Mittel tatsächlich gut wirksam?“.

Wie begegnen Sie solchen Einwänden?

Wir versuchen, die Einwände mithilfe von wissenschaftlichen Daten und Erfahrungswerten zu entkräften. So haben z.B. Untersuchungen gezeigt, dass unkomplizierte Harnwegsinfektionen mit antibiotisch wirksamen Phytotherapeutika ebenso effizient behandelt werden können wie mit Antibiotika. Weitere Studiendaten belegen, dass solche Phytotherapeutika auch das Wiederauftreten eines erneuten Infekts, also eines sog. Rezidivs, effektiver verhindern können als Antibiotika. Zudem erklären wir den Betroffenen, dass das häufige Wiederauftreten von Infekten häufig auch anatomische oder immunologische Ursachen hat. Oft verweisen wir auch noch darauf, dass bei einer Behandlungsoption ohne Antibiotika in den meisten Fällen weniger Nebenwirkungen auftreten. 

Mit welchen zusätzlichen Argumenten lassen sich Kunden dafür gewinnen, einen Therapieversuch mit Phytopharmaka zu unternehmen?

Viele unserer Kunden haben bereits negative Erfahrungen mit Antibiotika-Nebenwirkungen gemacht, beispielsweise in Form von Pilzinfektionen oder gar einer Clostridium-difficile-induzierten Colitis, also einer Entzündung des Dickdarms, die Durchfall zur Folge hat. Wenn wir bei der Empfehlung von Phytotherapeutika darauf hinweisen, dass die Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Arzneimittelwirkungen viel geringer ist, ist das für viele Betroffenen ein entscheidendes Argument. Auch der Hinweis auf die Resistenzproblematik sowie die Tatsache, dass Antibiotika im Gegensatz zu mancher Pflanzenarznei bei Erregern, die in Biofilmen überdauern, nahezu unwirksam sind, überzeugt viele Kunden, auf eine Antibiotika-Verordnung zu verzichten, wenn es eine wirksame Alternative gibt. Biofilme werden übrigens als „Schutzschild“ von bestimmten Bakterien ausgebildet, um sich gegen äußere Einflüsse, wie zum Beispiel Antibiotika oder das Immunsystem, zu wehren. Zusätzlich beraten wir unsere Kunden über unterstützende Maßnahmen, beispielsweise über Trinkmenge und Warmhalten des Unterleibs. Das gibt den meisten Kunden zusätzlich Sicherheit und die Gewissheit, dass sie von uns Empfehlungen und Ratschläge im Sinne einer umfassenden und wirksamen Therapie erhalten. 

1) Knottnerus B.J. et al. Women with symptoms of uncomplicated urinary tract infection are often willing to delay antibiotic treatment: a prospective cohort study. BMC family practice  14:71 (2013)

Weitere Informationen zum Thema Expertentipps

Expertenmeinungen

Haben Sie weitere Fragen zum Thema? Dann wenden Sie sich gerne an unseren Expertenrat.