Synthetische Rückstände in der Umwelt – viele Nadelstiche ergeben mindestens einen großen Stich…

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Wir sind umgeben von vielen künstlich synthetisierten Stoffen. In der EU gibt es allein die unvorstellbare Zahl von 150.000 gesetzlich geregelten Rückstandshöchstmengen! Zu diesen chemisch-synthetischen Stoffen gehören auch viele Arzneimittel, die als unbeabsichtigte Rückstände, z.B. im Wasser, zunehmend Probleme bereiten. Wir nehmen also voraussehbar immer eine Vielzahl von Fremdstoffen mit Nahrung und Trinkwasser zu uns, auch wenn die gesetzlichen Höchstmengen in den allermeisten Fällen für die Einzelstoffe bei weitem nicht überschritten werden. Wie ist das aber mit den Stoffgemischen, mit den vielen kleinen Nadelstichen? Machen die wirklich nichts?

Als Tiermediziner und damit auch naturwissenschaftlich ausgebildeter, biologisch interessierter Mensch habe ich schon immer daran gezweifelt, dass unser System der toxikologischen Bewertung von Einzelsubstanzen in biologischen Systemen hinreichend ist. Sicher, ein Grenzwert ist immer so gestaltet, dass bis zum Auftreten echter Effekte und/oder Erkrankungen noch ein mehr oder weniger großer Sicherheitsabstand besteht. Aber gilt das auch für den Mix aus Konzentrationen unterhalb des jeweiligen Schwellenwertes? Was ist mit Effekten, die sich nicht nur addieren, sondern auch verstärken? Eins ist klar: Die Toxikologie, die sich mit der Giftigkeit von Stoffen befasst, ist auf diesem Auge (noch) fast blind. Es fehlt an allgemein akzeptierten Methoden. Das ist aber dringend notwendig, z.B. anlässlich der Prüfung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel oder Stoffe, die dem Chemikaliengesetz unterfallen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Verbraucherschutzministeriums hat das brisante Thema anlässlich eines Workshops für die Bewertung von Mehrfachrückständen aus Pflanzenschutzmitteln öffentlich gemacht und über Erfahrungen mit der wissenschaftlichen Erprobung derartiger Bewertungssysteme in der EU berichtet1.

BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel resümiert: „Das BfR hat ein alltagstaugliches Bewertungskonzept für Mehrfachrückstände vorgeschlagen, das kurzfristig von den Überwachungsbehörden angewendet werden könnte“. Es habe sich gezeigt, dass nur einfach umzusetzende Bewertungsmethoden für eine Standardanwendung im Zulassungsbereich geeignet sind. Methodisch wird empfohlen, das sich aus Einzelrisiken ergebende Gesamtrisiko durch Bestimmung sog. Gefahrenindizes, dem sogenannten Hazard Index (HI), zu erfassen. Der Hazard Index ist ein Maß dafür, wie weit der über ein Lebensmittel aufgenommene Rückstand eines Wirkstoffs an dessen toxikologische Grenzwerte (ADI – Acceptable Daily Intake*, ARfD – Acute Reference Dosis**) heranreicht.

Eigentlich müsste auch die Lebensmittelüberwachung mithilfe derartiger Methoden schnell und sicher beurteilen können, ob eine Lebensmittelprobe mit Rückständen mehrerer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe für Verbraucher ein gesundheitliches Problem darstellt, so der Wunsch des BfR. Hier ist Skepsis angebracht: Wer die Überwachungspraxis näher kennt, der darf berechtigten Zweifel haben. Spätestens bei der Frage einer möglichen Amtshaftung bei Zurückweisungen oder Maßregelungen handeln die meisten Behörden – ob Untersuchungsamt oder Vor-Ort-Lebensmittel-Überwachung – erfahrungsgemäß eher vorsichtig.

Arzneimittelrückstände in der Umwelt

Von den oben angesprochenen Regelungen zu Rückstandshöchstmengen sind Arzneimittel im humanmedizinischen Bereich bis dato kaum betroffen, obwohl bekannt ist, wie persistent, also schwer abbaubar, unter anderem auch bestimmte chemische Antibiotika, beispielsweise aus der Gruppe der Gyrasehemmer, sind. Zum Beispiel fand man im Abwasser vielfach Ciprofloxacin und Norfloxacin2.

Betrachtet man pflanzliche Arzneistoffe, die quasi evolutionär erprobt sind, zeigt sich, dass diese schnell und vollständig, ohne toxische Rückstände abbaubar sind.

Quellen:

www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2013/11/mehrfachrueckstaende_von_pflanzenschutzmitteln…

2  HILP  M (2006): Arzneimittelbelastung in der Umwelt. Pharmazeutische Zeitung Heft 47/2006

* ADI (Acceptable Daily Intake): Menge eines Stoffes, die über die gesamte Lebenszeit täglich gegessen werden kann, ohne dass dadurch gesundheitliche Gefahren zu erwarten wären. Angabe in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag (mg/kg Körpergewicht * d) oder als mg/kg Körpergewicht.

** ARfD (Acute Reference Dose): Menge einer Substanz, die ein Mensch innerhalb eines Tages ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufnehmen kann (in mg/kg Körpergewicht)