Antibiotika beeinflussen die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Körper
Die Forschung bleibt bekanntermaßen nicht stehen. Jahrzehntelang stiefmütterlich behandelt, erfährt die Erforschung von Mikroorganismen – Gesellschaften in natürlichen Lebensräumen, dazu gehören auch Mensch und Tier – in den letzten Jahren eine echte Blüte. Man nennt dieses neue Wissenschaftsfach „Mikrobiom-Forschung“. Das menschliche Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln. Dass der Darm über und über mit Bakterien und Co. besiedelt ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Über das Mikrobiom der Blase war bisher wenig bekannt.
Nun konnten Forscher zeigen:
- Entgegen früherer Annahmen ist die menschliche Blase nicht steril.
- Es gibt Hinweise dafür, dass die Mikroorganismen, welche die Blasenschleimhaut besiedeln, einen wichtigen Schutzmechanimus gegenüber Infektionen darstellen. Das gilt für Bakterienstämme wie z. B. für Enterococcus faecalis und sogar für bestimmte Stämme von Escherichia coli 2,3,4.
Das würde auch erklären, weshalb manche antibiotische Behandlung eine vermeintliche Blasenentzündung nicht heilt, sondern „verschlimmbessert“, weil nämlich bakterielle Nützlinge hinweggefegt werden 3. Bereits eine kurzzeitige Antibiotikatherapie kann das empfindliche Gleichgewicht an Mikroorganismen so aus dem Lot bringen oder Wachstumsschübe gefährlicher Keime auslösen.
Immunantwort bei Harnwegsinfekten stärken
Prof. Dr. Dr. André Gessner, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Regensburg, untersuchte mit seinem Team die größte Gemeinschaft von Mikroorganismen im Körper: die Darmflora5. Dazu erhielten Mäuse entweder die typischerweise bei Harnwegsinfekten verordneten Antibiotika Fosfomycin oder Nitrofurantoin im Vergleich zu einem pflanzlichen Präparat. Resultat: Die Antibiotika veränderten teilweise bereits nach einer Gabe das Mikrobiom erheblich, nicht so das pflanzliche Präparat. Manche Bakterienfamilien waren nach einer Antibiotika-Behandlung sogar vollkommen verschwunden. Prof. Gessner rät dazu, in der Erstversorgung unkomplizierter Harnwegsinfektionen zunächst auf Antibiotika zu verzichten. Sein Credo: „Es ist besser, die Immunantwort des Wirts zu stärken als die Bakterien zu zerstören.“ 5
Das ist schon lange bekannt, aber leider aus dem therapeutischen Schatz vieler Behandler verschwunden: Es gibt pflanzliche Alternativen, die das Mikrobiom allgemein nicht oder nur unwesentlich beeinflussen. So zeigen verschiedene klinische Studien, dass insbesondere pflanzliche Senföle wie z. B. in Kapuzinerkresse einen therapeutisch wirksamen Spiegel in der Blase, dem Ort des Geschehens, aufbauen und auf diese Weise Blaseninfektionen vorbeugen bzw. diese günstig beeinflussen können 6,7,8,9.
Prof. Gessner in einem Interview: „Es sollte zumindest stets in Erwägung gezogen werden, ob man auf Antibiotika verzichten kann“ 4). Dem ist nichts hinzuzufügen.
Literatur
1http://www.uniklinikum-saarland.de/fileadmin/UKS/Aktuelles/Zeitschrift_UKS_Report/Medizinlexikon/Meizinlexikon_ab_2005/Blasenentzuendung.pdf, abgerufen am 22.07.2016
2CAI T, MAZZOLI S, MONDAINI N, MEACCI F, NESI G, D’ELIA C, MALOSSINI G, BARTOLETTI R (2012): The role of asymptomatic bacteriuria in young women with recurrent urinary tract infections: to treat or not to treat? Clin Infect Dis. 55(6):771-7. doi: 10.1093/cid/cis534. Epub 2012 Jun 7.
3CAI T, MAZZOLI S, LANZAFAME P, CAGIAGLI P, MALOSSINI G, NESI G, WAGENLEHNER FM, KÖVES B, PICKARD R, GRABE M, BJERKLUND JOHANSEN TE, BARTOLETTI R (2016): Asymptomatic Bacteriuria in Clinical Urological Practice: Preoperative Control of Bacteriuria and Management of Recurrent UTI. Pathogens. 2016 Jan 5;5(1). pii: E4. doi: 10.3390/pathogens5010004.
4DOBRINDT U, WULLT B, SVANBORG C (2016): Asymtomatic Bacteriuria as a Model to Study the Coevolution of Hosts and Bacteria. Pathogens. 15; 5(1). pii: E21. doi: 10.3390/pathogens5010021.
5UTZT M (2016): Die Darmflora bei urologischen Krankheitsbildern. Wie Therapeutika das Mikrobiom verändern. URO-NEWS; 20 (25), 12-14
6GOOS K, ALBRECHT U, SCHNEIDER B (2006): Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung im Vergleich zu anderen Therapien unter den Bedingungen der täglichen Praxis. Arzneim.-Forsch./Drug. Res. 56 (3), 249-257
7GOOS K, ALBRECHT U, SCHNEIDER B (2007): Aktuelle Untersuchungen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit eines pflanzlichen Arzneimittels mit Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich bei akuter Sinusitis, akuter Bronchitis und akuter Blasenentzündung bei Kindern im Vergleich zu anderen Antibiotika. Arzneim.-Forsch./Drug. Res. 56 (4), 238-246
8HÄRINGER E (2012): Natürlich gegen Bakterien: Pflanzliche Antibiotika bei Harnwegsinfektionen. EHK 61:193-198
9SCHULZ V (2008): Erfolgreiche Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte. Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerettichwurzel ist wirksam. Zeitschrift f. Phytotherapie 29, 130-131