Antibiotikaresistenzen in der Nahrungsmittelkette…

Kategorien: AllgemeinUmwelt Antibiotika in der Tierzucht 

…so lautete der knappe Titel einer internationalen Tagung, veranstaltet vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im November 2013. Das BfR ist als Bundesoberbehörde mit weit über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäftsbereich des Bundes-Landwirtschaftsministeriums angesiedelt und soll Risiken erkennen, bewerten und kommunizieren. 

Das Thema „Antibiotikaresistenzen in der Nahrungsmittelkette“ bewegt Verbraucherinnen und Verbraucher ungemein. Auf folgende erwähnenswerte  Fragestellungen lieferte die BfR-Tagung wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse1:

 1.Wodurch wird das Auftreten von MRSA in der Tierhaltung begünstigt?

In einer Studie wurde untersucht, welche Faktoren das Auftreten sog. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) in der Tierproduktion begünstigen. MRSA sind Keime, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind. Damit stellt MRSA einen für den Menschen potenziell gefährlichen Erreger dar. Bei der Untersuchung zum MRSA-Auftreten in der Tierhaltung kam heraus: Je kleiner die Tierhaltung, umso weniger MRSA-Keime wurden gefunden. Zudem schnitten biologische Tierhaltungen deutlich besser ab als konventionelle Betriebe.

2.Kommen eigentlich minimale Antibiotika-Mengen im Fleisch vor, auch wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden?

Und ob! Untersuchungen zu Antibiotika-Rückständen in tierischen Lebensmitteln zeigten: Putenfleisch enthielt in fast 50% der Proben messbare Rückstände, allerdings immer unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Dennoch ist diese Erkenntnis durchaus besorgniserregend, da es Belege dafür gibt, dass auch Minidosen von Antibiotika das Auftreten von erworbenen Resistenzen begünstigen. Ganz zu schweigen von den möglicherweise unbekannten Wechselwirkungen mit anderen, vom Menschen in die Umwelt entlassenen, chemischen Substanzen (Link.)

3. Sind Antibiotika in Tierbeständen auch bei unbehandelten Tieren nachweisbar?

Prof. Kietzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover zeigte, dass es zu einer sogenannten Wirkstoffverschleppung von Enrofloxacin, einem Reserveantibiotikum aus der Gruppe der Gyrasehemmer, kommt. Gerade bei Behandlung von Tieren über mehlförmiges Futter ist von einer Verschleppung der Antibiotika-Wirkstoffe unterschiedlichen Ausmaßes auszugehen, was der Nachweis sowohl im Stallstaub als auch in Urinproben unbehandelter Tiere belegt. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass die Aufnahme geringer Wirkstoffmengen, wie sie im Falle einer Wirkstoffverschleppung auftreten können, Darmbakterien wie E. coli resistenter machen können.

4. Gibt es in Nutztierbeständen auch Resistenzen gegen Antibiotika, deren Einsatz dort nicht erlaubt ist?

Die BfR-Mitarbeiterin Dr. Annemarie Käsbohrer wies in Keimen aus Schweine- und Geflügelhaltungen Carbapenem-resistente Mikroben nach. Wie diese in die Tierhaltung gelangt sind, ist unklar, da diese humanmedizinisch bedeutsamen Reserveantibiotika aus der Gruppe der Carbapene in der Tiermedizin eigentlich gar nicht eingesetzt werden dürfen2. In der Humanmedizin werden Reserveantibiotika nur dann eingesetzt, wenn Standardantibiotika keine Wirkung mehr zeigen.

Fazit

Viele der bisher vorliegenden Fakten sprechen eine eindeutige Sprache: Jede Alternative zum Einsatz konventioneller Antibiotika sollte ernsthaft in Betracht gezogen werden. Jeder Einsatz von Antibiotika – ob in Human- oder Tiermedizin – sollte rational, also aufgrund von begleitenden mikrobiologischen Untersuchungen und nicht empirisch, d.h. basierend auf Erfahrungswerten erfolgen.

Dass dabei auch die modernen Tierhaltungsformen und bestimmte Auswüchse der heutigen Landwirtschaft kritisch hinterfragt werden müssen, liegt auf der Hand. Allerdings bedürfen diese Fragen eines breiteren gesellschaftlichen Konsenses. Einseitige Schuldzuweisungen führen hier nicht weiter. Insofern folgt die Entschließung des Bayerischen Ärztetages wohl eher dem Sankt-Florians-Prinzip3, nach dem potenzielle Bedrohungen nicht gelöst, sondern auf andere verschoben werden:

„Der 72. Bayerische Ärztetag fordert, dass von der Ärzteschaft ein klares Votum gegen die Massentierhaltung ausgeht und bittet den Vorstand der Bayerischen Landesärztekammer, dieses auf politischer Ebene vehement zu vertreten.”

1 http://www.bfr.bund.de/cm/350/antibiotikaresistenz-in-der-lebensmittelkette-tagungsband.pdf

2 RESET-Studie des BfR, Zusammenfassung unter:

http://www.bfr.bund.de/cm/343/antibiotikaresistenz-carbapenemasebildende-keime-in-nutztierbestaenden.pdf

3 http://www.blaek.de/presse/aerzteblatt/2013/BAB_11_2013_564_571.pdf