Werden völlig neue Angriffspunkte für antibiotisch wirksame Substanzen gefunden, dann ist das immer von allgemeinem Interesse. Hier macht das Molekül ADEP (Acyldepsipeptid), ein von einem Bodenbakterium (Streptomyces hawaiensis) produzierter Stoff, seit nunmehr drei Jahren von sich reden1. Es aktiviert ein bestimmtes Enzym (Enzym ClpP), das in Bakterienzellen als „molekulare Reinigungstruppe“ Proteine zerlegt, was folglich zur Zerstörung der Bakterien führt. Dies geschieht nicht nur in aktiven, sondern auch in ruhenden Formen, beispielsweise nachgewiesen bei Staphylococcus aureus, einem bedeutsamen Eitererreger des Menschen. Derartige „Schläferbakterien“ sind wegen ihrer Stoffwechselinaktivität besonders wenig empfänglich für Antibiotika und können diese somit „unterlaufen“.
Wie funktioniert nun das neue Wirkprinzip?
Die Variante ADEP4 wirkt gegen verschiedene Bakterienarten (Staphylo-, Entero- und Streptokokken). Folge: Das durch die Substanz aktivierte Reinigungsenzym ClpP zerstört im Überschuss und wahllos zahlreiche Bakterienproteine (ca. 400), so dass die Keime sich quasi selbst verdauen und faktisch in den Selbstmord getrieben werden. Das trifft interessanterweise auch Bakterien in Biofilmen, also Schleimschichten, die Erreger vor dem Immunsystem abschirmen. Letztere spielen bei verschiedensten chronischen Infektionen eine große Rolle im Krankheitsprozess (z.B. bei Implantaten jeglicher Art wie Gelenksprothesen, künstliche Herz- und Gefäßklappen wie auch Knochenmarks- und Zahnfleischentzündungen etc.).
Das Forscherteam um K. Levis aus Boston räumt in seiner Veröffentlichung im renommierten Wissenschaftsjournal „nature“ gleich ein, dass sie in ihren Versuchen bereits „ADEP- resistente“ Bakterien nachgewiesen haben2. Versuche mit Kombinationen aus ADEP und konventionellen Antibiotika (z.B. Rifampicin und Ciprofloxacin) hätten sich aber als vollumfänglich wirksam erwiesen.
Ob dieser Optimismus so gerechtfertigt ist oder doch eher Interessen gesteuert ist, wird die Zukunft entscheiden.
Die jüngere Medizin-Geschichte mahnt diesbezüglich zur Demut, treten doch immer schnell(er) nach Neueinführung von Antibiotika im Markt die ersten Resistenzen auf3:
ANTIBIOTIKUM | Entdeckungsjahr (Einführungsjahr) | 1. Bericht einer RESISTENZ | Name des Bakteriums |
Penicillin G | 1928 (1943) | 1940 | Staph. aureus |
Streptomycin | 1944 (1947) | 1947 | Mycocterium tuberculosis |
Tetrazyklin | 1948 (1952) | 1952 | Shigella dysenteriae |
Erythromycin | 1952 (1955) | 1956 | Staph. aureus |
Vancomycin | 1956 (1972) | 1988, 2004 | Enterococcus faec., Staph. aureus |
Methicillin | 1959 (1961) | 1961 | Staph. aureus |
Gentamicin | 1963 (1967) | 1969 | Staph. aureus |
Nalidixinsäure | 1962 (1964) | 1966 | E. coli |
Cefotaxim | 1975 (1981) | 1981, 1983 | Enterobakterien |
Imipenem | 1976 (1987) | 1986 | Pseudomonas aer., Serratia marcescens |
Linezolid | 1979 (2000) | 1999 | Staph. aureus, Enterococcus faec. |
Daptomycin | 1980 (2004) | 2005 | Staph. aureus, Enterococcus faec. |
Quellen:
1 SASS P; JOSTEN M; FAMULLA K; SCHIFFER G; SAHL HG; HAMOEN L; BROETZ -OESTERHELT H (2011): Antibiotic acyldepsipeptides activate ClpP peptidase to degrade the cell division protein FtsZ. PNAS online, 3.10.2011
2 CONLON BP; NAKAYASU ES; FLECK LE; LAFLEUR MD; ISABELLA VM; COLEMAN K; LEONHARD RD; ATKINS JN; LEWIS K(2013): Activated ClpP kills persisters and eradicates a chronic biofilm infection. Nature 503, 365-370; DOI: 10.1038/nature12790 http://www.nature.com/nature/journal/v503/n7476/full/nature12790.html
3 SPRINGER B (2009): Antibiotika und Resistenz. Vortragsunterlagen vom 3.3.2009 genutzt für die Erstellung der Tabelle