10-Punkte-Plan zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen: Bundesgesundheitsminister Gröhes Ankündigungen – kritisch gewürdigt…

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Wenn heutzutage Minister und Ministerinnen zu bedeutsamen Problemen länger schweigen und danach Vorschläge zur Behebung vorlegen, so werden häufig bedeutungsschwangere 10-Punkte-Programme lanciert. Damit die Öffentlichkeit merke, dass man sich tatsächlich „mit großem Ernst“ einer wichtigen Sache annehmen wolle. So verbreitete der damalige Verbraucherschutzminister Seehofer schon bei den ersten großen Gammelfleisch-Vorkommnissen im Jahr 2006/2007 eine entsprechende Maßnahmenliste – von der jedoch nicht viel übrig blieb. Ähnlich war es bei seiner Nachfolgerin Ilse Aigner angesichts des Pferdefleischskandals 2012/2013 („Wer reitet so spät durch Nacht und Rind: es ist die Lasagne, diesmal ohne Rind“). Auch von dieser Liste wurde nicht viel abgearbeitet. Dabei waren die üblichen politischen Reflexe zu beobachten: Druck erzeugt Gegendruck, z.B. durch massive Gegenarbeit betroffener (Wirtschafts-) Kreise. Irgendwann ist die mediale Aufmerksamkeit dann ausgeritten – und das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung wieder ein „Problemchen“.

Nun sollte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nicht gleich in Sippenhaft genommen werden, nur weil er etwas als 10-Punkte-Programm bezeichnet bzw. bezeichnen lässt. Auch er hat seine Berater, darunter auch den neuberufenen Präsidenten des Robert-Koch-Institutes, einen Tiermediziner. Immerhin hat auch der schillernde Präsident der Bundesärztekammer, der Krankenhausarzt Frank Ulrich Montgomery, den Plan grundsätzlich begrüßt, nicht ohne gleich hinterher zuschieben, dass man über die Finanzierungen reden müsse. Ein ähnlich voraussehbarer Reflex kam vom Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum: „Die Krankenhäuser begrüßen, dass sich die Bundesregierung der Problematik intensiv an­nimmt und damit anerkennt, dass die Infektionsprophylaxe das Gesundheitswesen als Ganzes betrifft und nicht von den Krankenhäusern alleine gelöst werden kann.“ Das wiederum ist eine selektive Wahrnehmung der Ankündigungen des Ministers. Anstelle einzuräumen, dass es nicht anders als ein Skandal zu werten ist, dass die hochentwickelte Bundesrepublik Deutschland sich jahrzehntelang um eine konzertierte Aktion gedrückt hat, wird von der Lobby der Hauptverantwortlichen auf andere Mitverantwortlichkeiten hingewiesen.

Gröhes 10-Punkte-Programmzur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen, in Kürze bewertet:

1. Ausbreitung multiresistenter Erreger verhindern

Natürlich gut. Was will der Bund? Das Robert-Koch-Institut soll bestehende Netzwerke mehr unterstützen. So etwas gibt es schon als sinnvolle Zusammenarbeit  zwischen Krankenhäusern, Transporteinrichtungen, ambulanten Ärzten, Alten- und Pflegeheimen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst in Rheinland-Pfalz. Ob Bundesoberbehörden und Ländereinrichtungen dabei gut zusammenarbeiten? Es kommen Zweifel auf. Dann wird gleich beim ersten Punkt des Programms nur „angekündigt, zu prüfen“: nämlich bei der eigentlich jetzt schon bestehenden Empfehlung, Risikopatienten auf etwaige multiresistente Erreger zu screenen und bis zum Vorliegen der Ergebnisse zu isolieren. Am letzten Punkt wird es sicher Widerstand – nicht zuletzt durch die Krankenhäuser – geben…

2. Hygienestandards in allen Einrichtungen weiter ausbauen

Hier referiert Gröhe nur, dass derzeit bis 2016 ein Budget von 365 Millionen EUR für die Aus- und Weiterbildung des Personals bereits haushalterisch eingestellt worden war.

3. Bessere Informationen zur Hygienequalität in Krankenhäusern

Ein ganz heikler Punkt: Krankenhäuser sollen verpflichtet werden, ihre Qualitätsberichte um einen Zusatzteil mit verständlichen Patienteninformationen zu den Hygienestandards im Krankenhaus zu ergänzen. Wie es der Minister schaffen will, gegen die in ärztlichen Kreisen nach wie vor vorhandene endemische Neigung, Fehler nicht offen zu behandeln und schon gar nicht öffentlich zu machen, anzukommen, bleibt allerdings sein Geheimnis.

4. Meldepflichten zur Früherkennung resistenter Erreger verschärfen

Eine sinnvolle Maßnahme: Meldepflichten sollen verschärft werden. Gefährliche resistente Erreger, wie z.B. multiresistente gram-negative Erreger (4MRGN) oder Clostridium difficile, müssen künftig bereits beim Erstnachweis des Erregers gemeldet werden. Hier hatten sich ja schon bei der damaligen EHEC-Epidemie unhaltbare Defizite bei den Meldewegen und –zeiten offenbart.

5. Verpflichtende Fortbildung des medizinischen Personals

Hier räumt das Ministerium ein, dass Wissensdefizite und nicht angewendetes Wissen bei der Diagnostik, bei der rationalen Antibiotika-Therapie und der Vermeidung von Infektionen durch resistente Infektionserreger eine der Ursachen für steigende Antibiotika-Resistenzraten sind. Kritiker bemängeln seit Jahrzehnten, dass die pharmakologische und hygienische Ausbildung an medizinischen Fakultäten vernachlässigt werde.

6. Versorgungsforschung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen verbessern

Unter diesem Punkt werden viele „Fördertopf-Akrobaten“ Morgenluft wittern, denn es wird angekündigt (aber offensichtlich noch nicht budgetiert), dass es Fördermittel gäbe. Und dann wird der nächste Begriff aus dem Repertoire der politischen Krisenbehandlung eingeführt: es soll eine gemeinsame “Task Force Antibiotikaforschung” bei den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Gesundheit eingerichtet werden. Fast ist man an ein berühmtes Wort Michael Gorbatschows über das Zuspätkommen erinnert  – “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”.

7. “One-Health”-Gedanken stärken: Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie

Unter diesem Punkt wird eigentlich nur wiederholt, was an Maßnahmen zum Screening von Resistenzen und dem Dialog zwischen Human- und Tiermedizin sowie der Landwirtschaft schon zuvor angekündigt worden war. Als linguistische Zutat noch den  “One Health”-Gedanken….

8. Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika ermöglichen (Pharmadialog)

Dass die Anreize für die pharmazeutische Industrie nicht groß seien, neue Antibiotika zu entwickeln, wird immer wieder behauptet. Im Rahmen des Pharmadialogs der Bundesregierung soll es darum gehen, Hindernisse in Forschung und Entwicklung zu identifizieren und Lösungen zu erarbeiten. Konkret wird von Plänen berichtet, den Patentschutz der Arzneimittel in der Tiermedizin von 10 auf 18 Jahre auszuweiten.

9. Deutsche globale Gesundheitspolitik zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen nutzen

Es muss nicht betont werden, dass der internationale Reise- und Warenverkehr die Mikroben weltweit verbreitet.  Auch die WHO nimmt sich des Themas, allerdings schon vor Hermann Gröhe, an. Der Minister kündigt nun unter diesem Punkt an, Partnerländer dabei unterstützen, nationale Strategien zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln und umzusetzen. Es darf bezweifelt werden, dass Deutschland hier als großes Vorbild gelten kann.

10. Antibiotika-Resistenzen durch Kooperation der G7 bekämpfen

Jeder, der turnusgemäß einen Vorsitz zu übernehmen hat, macht sich Gedanken über spezifische „Duftmarken“, die man hinterlassen möchte. Deutschland hat Gesundheit zu einem der Schwerpunkte seiner G 7 – Präsidentschaft gemacht und möchte dabei die anderen G 7 –Länder beteiligen.  Gröhe kündigt an, Instrumente zur Entwicklung neuer Antibiotika, diagnostischer Testmethoden und alternativer Behandlungen, zu fördern.

Das letzte lässt aufhorchen. Offensichtlich hat das Bundesministerium schon mal gehört, dass es alternative Behandlungsmöglichkeiten zu dem reflexhaften und nicht diagnostisch abgesicherten Anwenden von Antibiotika gibt.

Das immerhin lässt hoffen….

Quellenangaben

http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2015/10-punkte-plan-zu-antibiotika-resistenzen.html , abgerufen am 28.3.2015

http://lua.rlp.de/fileadmin/lua.rlp.de/FOTOS/Humanmedizin/MRSA-MRE-Netzwerke_in_Rheinland-Pfalz.jpg , abgerufen am 28.3.2015

http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62254/Groehe-legt-10-Punkte-Plan-zur-Bekaempfung-resistenter-Keime-vor?s=10+punkte+programm, abgerufen am 28.3.2015

http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62296/KV-Hamburg-ist-der-Zehn-Punkte-Plan-gegen-resistente-Keime-zu-vage?s=10+punkte+programm, abgerufen am 28.3.2015

http://www.biermann-medizin.de/fachbereiche/gastroenterologie/kliniken-praxen/kvh-groehes-plan-reicht-nicht-aus , abgerufen am 29.3.2015

http://www.mz-web.de/politik/kommentar-zu-groehes-10-punkte-plan-gegen-keime-hilft-nur-haendewaschen,20642162,30198110.html, abgerufen am 29.3.2015